Ein Gespräch mit Roger Schäli zur Palü-Trilogie

Im August 2024 gelang Roger Schäli und Romano Salis die erfolgreiche Besteigung aller drei Palü-Pfeiler in der Bernina per «Climb & Fly». Im Interview gibt uns Roger persönliche Einblicke in Vorbereitung, Ausrüstung und Durchführung der Trilogie. Der Icefall Rucksack von EXPED hat ihn begleitet – wir waren gespannt auf sein Feedback über das Modell.

 

1.11.2024
Rucksack
Fly Icefall Backpack

EXPED: Die drei Palü-Pfeiler in 16 Stunden, herzlichen Glückwunsch! Wie seid ihr auf das Projekt gekommen?

Roger Schäli: Wenn du immer wieder am Palü und im Bernina Massiv unterwegs bist und die drei Pfeiler siehst – das hat die Natur einfach toll eingerichtet – drängt sich der Gedanke auf. Drei Türme auf einmal zu klettern ist sehr motivierend und naheliegend. Wenn man das mit einem leichten Gleitschirm verbindet, ist das Projekt recht offensichtlich. 


Habt ihr euren Zeitplan eingehalten oder wolltet ihr gar noch schneller sein?

Wir hatten keinen Zeitplan. Wir wollten eigentlich schneller sein, aber die Verhältnisse am Mittelpfeiler, auch Bumillerpfeiler genannt und am Westpfeiler waren schwierig, es war recht aper. Wir haben überlegt, wie wir da rauskommen, es war aber schwierig, abzuklettern und wir haben uns für die Flucht nach oben entschieden. Als wir oben waren, hatten wir doch noch genug Zeit und vor allem Tageslicht und unser Plan ging dann gerade noch auf. Aber wir hatten gedacht, wenn es optimal läuft, sollte es eigentlich noch zwei, drei Stunden schneller gehen. 


Ihr habt euch bestimmt gut vorbereitet – gibt es Dinge, auf die man sich nicht vorbereiten kann?

Mit dem Gleitschirm ist der Wind immer ein unberechenbarer Faktor. Beim Bergsteigen kann man den Wind etwas besser ignorieren. Beim Gleitschirmfliegen hast du den Wind nie ganz im Griff, er kann zu stark sein oder aus der falschen Richtung kommen. Es müssen schon gute Verhältnisse herrschen, um vom Gipfel zu starten und auf 3000 Meter landen zu können. 

Für unser Vorhaben brauchte es ausserdem zwei Personen, die sich oft und spontan Zeit nehmen können und wollen, wenn die Verhältnisse und Wetter erscheinen. Man hat geringeren Fokus als auf einer langen Expedition, der Alltag muss es zulassen, dass man spontan sagt: So, morgen packen wir es an. Für uns war es der erste Versuch und es hat gleich geklappt. Das Wetter war am Anfang des Tages noch nicht so gut, es war viel nässer als gedacht und der Start war windiger als gedacht. Am zweiten Pfeiler stellten wir fest, dass es sehr aper war und sich dadurch wie ein Eiertanz durch viel loses Gestein anfühlte. Zwischensicherungen gibt es eigentlich keine, das war schon eine heikle Kletterei.

Ich möchte hier einmal erwähnen, dass der Bergsteiger und Fotograf Robert Bösch die drei Pfeiler vor vielen Jahren und bei sicherlich nicht vergleichbaren Verhältnissen im Alleingang geklettert ist. 


Lief irgendwas überraschend gut?

Nach dem zweiten Pfeiler hatten wir ein kleines Down, aber dann war doch genug Energie und Motivation vorhanden, weil das Wetter sich immer besser entwickelte. Der Schluss lief erstaunlich gut. Der letzte Pfeiler wird am öftesten begangen und ist entsprechend gut eingerichtet. Diese Reihenfolge hat sich als richtig herausgestellt. 

In den Alpen fokussiert man sich bei Tagestouren auf leichtes Equipment. Im Sommer muss man immer mit Gewittern rechnen, wir hätten höchstens alle drei bis vier Stunden Rückzugsmöglichkeit gehabt.

Roger Schäli, Profi-Alpinist

Wie bringt ihr die verschiedenen Disziplinen unter einen Hut in Bezug auf die Ausrüstung? Was muss die Ausrüstung können?

In den Alpen fokussiert man sich bei Tagestouren auf leichtes Equipment. Im Sommer muss man immer mit Gewittern rechnen, wir hätten höchstens alle drei bis vier Stunden Rückzugsmöglichkeit gehabt. Rettungsaktionen sind nicht immer möglich und in diesem Gelände besonders aufwendig, das war uns bewusst. Man kann sagen, wir waren optimistisch-leicht unterwegs. Das ist nicht vergleichbar mit der Ausrüstung für eine Nordwand mit Biwak und vielen extra Schichten. Wir haben auf den Notschirm verzichtet, hatten also nur den Gleitschirm mit einem 100 Gramm leichten Dyneema-Sitzgurt dabei. Fokus war aufs Leichte: Ein Liter Wasser, ein paar Riegel. 


Würdet ihr beim nächsten Mal was anders machen?

Eigentlich wollten wir das Projekt im Frühling mit mehr Schnee umsetzen. Weil der zweite Pfeiler mit etwas mehr Schnee besser zu Stapfen gewesen wäre. Da hätten wir sicher noch etwas Zeit gewonnen. 


Und mit Blick auf die Ausrüstung?

Das hat gepasst. Unsere Erfahrung war sehr wichtig, wir kennen die Gegend gut – das ist auch eine Art von Ausrüstung. 


Welches war das wertvollste Element für dich bei diesem Projekt?

Immer wichtig: Den Humor behalten. Die Stimmung darf in brenzligen Situationen nicht kippen. Wenn was hilft, ist es die Selbstironie. 

Einen kleinen Joker hatten wir: Romanos Vater hat uns am zweiten Pfeiler mit dem Fernglas beobachtet und wir haben telefoniert, so haben wir noch einen Haken gefunden, den er bei einer früheren Begehung gesetzt hatte. 


Habt ihr schon das nächste Projekt geplant?

Wir haben viele Ideen! Romano fokussiert sich bereits halb-professionell aufs Fliegen. Bei den nächsten Vorhaben stellen wir uns die Frage, ob das Fliegen «nur» zum Abstieg dient oder ob wirklich auch Distanzen zurückgelegt werden müssen – das macht sie Sache nochmal kniffliger. Am Palü hatten wir sehr kleine Schirme dabei, was beispielsweise die Landung anspruchsvoll machen kann. 


Was gefällt dir am Icefall von EXPED am besten?

Der Rucksack ist super robust, wir konnten ihn beim Klettern auch haulen und er hält das gut aus.  Man merkt, der ist wirklich für den extremen Einsatz gemacht. Ausserdem ist er leicht, hat ein grosszügiges Volumen (50 Liter). Dank dem Rolltop kann man ihn trotzdem kompakt verkleinern. Der grosse seitliche Reissverschluss ist auch super, da hat man die Trinkflasche schnell zur Hand. 


Höher, schneller weiter – ist das dein Ding? Oder ging es euch mehr um den technischen Anspruch der Routen?

Für uns war es eher ein ästhetisches Projekt. Die drei Pfeiler stechen einfach als Einheit ins Auge – und sie sind wie magisch von der Natur geformt. Die Trilogie wurde schon zweimal gemacht, wir haben das Element des Fliegens ergänzt. Aus meiner Sicht ist das eine logische Weiterentwicklung, auszuprobieren, was das Equipment hergibt. Touren gewinnen so eine neue Dynamik. 

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